Vielleicht braucht es manchmal nur 4 kleine Pfoten

Veröffentlicht am 6. Juni 2025 um 08:20

Manchmal, wenn ich im Wald verweile, sehe ich ein Eichhörnchen. Wie es leise über den Waldboden huscht, dann innehält, aufhorcht, die Welt prüft, bevor es sich mit einem Satz in die Zweige schwingt. Es braucht keinen Applaus, keinen Beifall, keine Bühne – es ist einfach da. Lebendig. Gegenwärtig. Das Eichhörnchen erinnert mich an etwas, das wir Menschen so leicht verlieren: den Kontakt zur Stille, zur Natur, zu diesem feinen Rhythmus, der alles Lebendige durchzieht. Während wir oft in Gedanken gefangen sind, im Planen, Zweifeln, Funktionieren, lebt dieses kleine Wesen im reinen Jetzt. Es fragt nicht nach dem Warum, es zweifelt nicht am Woher oder Wohin – es lebt, sammelt, ruht, springt, vertraut dem Wandel der Jahreszeiten. Alles hat seine Zeit. Und das Eichhörnchen kennt sie, diese Zeit. Es eilt nicht. Es drängt nicht. Es folgt einem inneren Kalender, der tiefer und wahrhaftiger tickt als jede digitale Uhr.

 

In seiner stillen, unscheinbaren Präsenz liegt eine Weisheit, die wir oft übersehen. Es drängt sich nicht auf, aber wer genau hinschaut, spürt: Da ist etwas Heiles, etwas Ganzes. Vielleicht begegnen uns solche Tiere genau dann, wenn wir es am meisten brauchen – wenn unsere Gedanken sich verlieren, unsere Seelen lautlos schreien. Dann kommt so ein kleiner Bote auf leisen Pfoten und zeigt uns, dass es genügt, wieder zu sehen. Zu atmen. Da zu sein.

 

„Niemandem liegt der Wald mehr am Herzen“, klagt Baumbart, der Ent aus Tolkiens Welt. Vielleicht ist es genau dieses leise Eichhörnchen, das uns daran erinnert, dass wir den Wald nur vergessen haben – nicht verloren. Wir verlieren den Kontakt zur Natur nicht, weil sie sich entfernt – sondern weil wir uns entfernen. Die Welt der Tiere, der Bäume, des Windes – sie ist immer noch da. Geduldig. Wartend. Bereit, uns aufzunehmen, wenn wir wieder bereit sind, uns einzulassen. Das Eichhörnchen zeigt uns: Achtsamkeit beginnt nicht mit großen Gesten. Sie beginnt mit dem Staunen über das Kleine. Und vielleicht mit dem Vertrauen: Alles hat seine Zeit. Vielleicht braucht es manchmal nur ein Paar leiser Pfoten, um uns heimzurufen in die Welt, die wir nie ganz verloren haben.

 

Dario Pizzano

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