
Es gibt Augenblicke, in denen die Welt leiser wird. Nicht still im Sinne von leer, sondern voller Gegenwart. So ein Moment ist es, wenn ein Schwan auftaucht. Weißes Gefieder, eine Bewegung wie aus der Zeit gefallen. Kein Tier gleitet so selbstverständlich über das Wasser. Keine Eile, kein Flattern, kein Versuch, zu beeindrucken. Und genau das macht ihn so majestätisch. Der Schwan erklärt nichts – er ist einfach. Und darin liegt seine Kraft. Ich beobachtete ihn an einem stillen Seeufer. Das Wasser lag glatt wie Glas, die Halme standen aufrecht im Wind. Er trat aus dem Schilf, neigte den Hals, als würde er den Morgen kosten. Es war, als hätte er nichts vergessen von dem, was wir Menschen oft verlieren: das Einverständnis mit dem Jetzt. Wir nennen es „zur Ruhe kommen“, als wäre es ein Ziel. Der Schwan zeigt, dass es ein Zustand ist. Kein Konzept, sondern eine Haltung. Kein Rückzug, sondern Tiefe.
Sein Gleiten ist kein Vorankommen – es ist ein Lauschen. Als würde er der Welt zuhören, ohne sie zu unterbrechen. Ich dachte: Vielleicht ist der Schwan nicht schön, weil er etwas darstellt – sondern weil er nichts beweisen muss. In einer Welt, in der alles laut und schneller werden will, zeigt er: Würde ist leise. Und echte Präsenz braucht keine Bühne, sondern Raum. Raum für das, was nicht gesagt werden muss.
Wer dem Schwan lange genug zusieht, lernt vielleicht mehr über sich selbst als in manchem klugen Buch.
Dario Pizzano
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