
Es gibt einen Gedanken, der mich in letzter Zeit häufiger beschäftigt: Warum wird es eigentlich oft als „verdächtig“ gesehen, wenn ein Mensch anderen eine Freude machen will? Ich höre dann Sätze wie: „Der will sich nur beliebt machen.“ Oder: „Das ist doch unehrlich – der macht das doch nur, um Anerkennung zu bekommen.“ Und irgendwann schwingt sogar der Vorwurf mit, man sei nicht echt, nicht bei sich selbst, vielleicht sogar schwach, wenn man sich für andere einsetzt. Aber ist das wirklich so?
Ich glaube, wir verlernen gerade etwas sehr Wertvolles: den Glauben daran, dass es echte Freude am Geben gibt. Dass es Menschen gibt, die lieben, indem sie für andere da sind. Nicht, weil sie sich selbst nicht spüren – sondern gerade weil sie in sich ruhen. Weil sie etwas weitergeben wollen von dem, was in ihnen lebendig ist. Eine Geste, ein Lächeln, ein stiller Dienst im Hintergrund. Ohne großes Tamtam. Ohne Rechnung. Der französische Philosoph Emmanuel Lévinas hat einmal gesagt: „Die Verantwortung für den anderen ist größer als die Verantwortung für mich selbst.“ Ein Satz, der uns herausfordert – und zugleich berührt. Weil er eine andere Art von Stärke beschreibt: die stille, zugewandte, verantwortliche. Ja, es gibt sicher Menschen, die geben, um sich selbst zu bestätigen. Das gibt es. Aber das ist nicht das Gleiche wie echte Fürsorge. Wer aus innerer Freiheit gibt, tut es nicht aus Mangel – sondern aus einem inneren Reichtum heraus. Aus der Fähigkeit, sich selbst nicht immer in den Mittelpunkt zu stellen. Sondern auch mal zuzuhören. Da zu sein. Ohne etwas zu erwarten.
Ich habe viele Menschen kennengelernt, die auf diese stille Weise Großes tun. Und ich merke: Oft sind es genau diese Menschen, die die Welt zusammenhalten – in Familien, in Teams, in Freundschaften. Ich frage mich: Was wäre, wenn wir aufhören würden, Fürsorge mit Schwäche zu verwechseln? Wenn wir nicht sofort fragen würden: „Was will der davon haben?“ Sondern einfach mal anerkennen, dass es auch ein Geben gibt, das aus Liebe kommt. Aus Güte. Aus dem Wunsch heraus, etwas heller zu machen – für andere. Vielleicht ist es gerade das, was wir heute wieder neu lernen müssen: dass es nichts Verdächtiges hat, wenn jemand anderen eine Freude machen will.
Sondern etwas Menschliches.
Etwas Schönes.
Etwas, das wir brauchen.
Dario Pizzano
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